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Die Verbindung von aufklärerischer Vernunft und Wissenschaft

Platon

Foto Platon

„The Neo-Kantians agreed with Plato that philosophy should be idealism.“

Christian Krijnen, Philosophy as philosophy of culture? in: Nicolas De Warren, Andrea Staiti (Eds.), New Approaches to Neo-Kantianism, Cambridge University Press, 2015, p. 112.

„Platon fragte: was ist Wissenschaft? indem er als diese Wissenschaft die erst bei den Griechen zur Wissenschaft gewordene Mathematik erkannte. Die Mathematik war die Wissenschaft, mit der er die Philosophie in Verbindung brachte; zu der er sie in Verhältnis setzte. Und dabei und dadurch begründete er die Logik, zuvörderst als die Logik der Mathematik. Von der Mathematik aus suchte er sodann einen Weg zur Physik und erweiterte demgemäß den Begriff der Logik. (...) In der Erörterung dieser Frage erfand er den fundamentalen Terminus seiner Philosophie, der das Grundwort der philosophierenden Menschheit geworden ist: die Idee. Und als die Hauptklasse derselben faßte er die mathematischen Ideen, das ,Mathematische‘ ... zusammen.“

Hermann Cohen, Einleitung mit kritischem Nachtrag zur neunten Auflage der Geschichte des Materialismus von Friedrich Albert Lange, Leipzig, 1914, S. 15f.

„Von hier aus scheint mir Licht auf eine befremdliche Angabe zu fallen, die in der Geschichte der Philosophie überliefert wird: Platon habe den Ideen, zu deren Bewußtsein er sich erhoben, ein Dasein abgesondert von den Dingen, und (...) ähnlich dem Sein der Dinge zugeschrieben. (...) Nichts sonst wollte Platon lehren, als was wir oben durchgingen: die Geltung von Wahrheiten, abgesehen davon, ob sie an irgend einem Gegenstande der Außenwelt, als dessen Art zu sein, sich bestätigen, die immer sind, was sie sind, gleichviel ob es Dinge gibt, die durch die Theilnahme an ihnen sie in dieser Außenwelt zur Erscheinung bringen, oder ob es Geister gibt, welche ihnen, indem sie sie denken, die Wirklichkeit eines sich ereignenden Seelenzustandes geben. Aber der griechischen Sprache fehlte damals und noch später ein Ausdruck für diesen Begriff des Geltens.

Rudolf Hermann Lotze, Logik, Drittes Buch. Vom Erkennnen, Hrsg. Gottfried Gabriel, Meiner Verlag, Hamburg 1989, S. 513.

„Denn die Idee bedeutet das Gesetz, nichts anderes. (...) Der letzte Sinn des Gesetzes überhaupt ist Einheit, Erhaltung der Einheit im Wechsel und Werden; allgemein theoretisch: Erhaltung der Einheit als Gesichtspunkt des Denkens zur Auffassung des Vielen, Differenten, zu dessen Bergung in der Erkenntnis; ...“    

Paul Natorp: Platos Ideenlehre - Eine Einführung in den Idealismus, (1903 / 1922), Hamburg, Meiner Verlag 2001, S. 49f.

„Aber nicht bloß in demjenigen, wobei die menschliche Vernunft wahrhafte Kausalität zeigt, und wo Ideen wirkende Ursachen (...) werden, nämlich im Sittlichen, sondern auch in Ansehung der Natur selbst, sieht Plato mit Recht deutliche Beweise ihres Ursprungs aus Ideen. Ein Gewächs, ein Tier, die regelmäßige Anordnung Weltbaues (vermutlich also auch die ganze Naturordnung) zeigen deutlich, daß sie nur nach Ideen möglich sein; (...) Wenn man das Übertriebene des Ausdrucks absondert, so ist der Geistesschwung des Philosophen, von der kopeilichen Betrachtung des Physischen der Weltordnung zu der architektonischen Verknüpfung derselben nach Zwecken, d. i. nach Ideen, hinaufzusteigen, eine Bemühung, die Achtung und Nachfolge verdient.

Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft, Georg Mohr (Hrsg.), Theoretische Philosophie  Suhrkamp Verlag, Frankfurt/Main 2004, B 374 / 375.

„Daß Platon seinen Erkenntnisbegriff nach dem Vorbild der Mathematik geformt hat, ist unverkennbar, und seine Ideenlehre verdankt der Mathematik nicht nur einzelne fundamentale Grundeinsichten, sondern sie ist in ihrer gesamten Struktur durch sie bestimmt.

Ernst Cassirer, Das Erkenntnisproblem in der Philosophie und Wissenschaft der neueren Zeit, Band IV, Darmstadt, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1995, S. 19.

“Indeed, Plato’s account of the nature and objects of true philosophical knowledge was so influential that he can in many respects be called the father of rationalism.”

 John Cottingham, Rationalism, Paladin Books, London 1984, p. 13.

„Offenbar ist Platon in seiner Philosophie von mathematischen Motiven ebenso stark beeinflusst worden, wie er selbst fördernd auf die Entwicklung der griechischen Mathematik eingewirkt hat: und den Nerv dieses reciproken Verhältnisses werden wir darin sehen dürfen, dass es eben Platon gewesen ist, der in den mathematischen Problemen das ergiebigste Feld der begrifflichen Untersuchung erkannte, das Gebiet eindeutiger Definitionen und zweifelloser Beweise. So haben denn die mathematischen Studien eine grosse Rolle in der Akademie gespielt, welche darin ihre wissenschaftliche Verwandtschaft mit den Pythagoreern fand, und aus dieser Vereinigung ist das begriffliche Gepräge der späteren griechischen Mathematik hervorgegangen, wie es in dem Lehrbuche Euklid's seine typische Erscheinung gefunden hat.“

Wilhelm Windelband, Platon, Stuttgart 1910, S. 68.

„Sokrates: In allem also was aus Zahlen besteht, nennen wir dasselbe das Gesamte und die Sämtlichen?
Theaitetos: So scheint es.
Sokrates: Nun laß uns weiter dieses davon sagen: Die Zahl eines Acker Landes und der Acker ist einerlei?
Theaitetos: Ja.
Sokrates: Und mit dem Stadion ebenso?
Theaitetos: Ja.
Sokrates: Und ebenso wohl auch die Zahl eines Heeres und das Heer? Und mit allen ähnlichen Dingen auf gleiche Art.
Denn ihre gesamte Zahl ist auch das gesamte Sein eines jeden von ihnen.
Theaitetos: Ja."

Platon, Theaitetos, Berliner Ausgabe, 204d.

„Darum hat denn auch die platonische ‚Schau‘ nichts von Kriterienlosigkeit; sie bedeutet im Gegenteil das bewußte Gebundensein nicht nur an Kriterien, sondern an deren selbst fortgesetzt rechtfertigenden Begriff. Schauend in der objektiven Evidenz der Grundsätze ‚errettet‘ der Forscher das Gegebene aus dem Banne des Zufalls, indem er es an die höchsten Bedingungen der Bestimmtheit kettet und damit zur gegenständlich gerichteten Aufgabe macht. (...) Das Mittel zur Errettung der Erscheinungen aus den Banden der Unbestimmtheit aber ist die Zahl: die Mittlerin zwischen der Wandelbarkeit des Sinnenscheins, den sie in feste Grenzen bannt und der Idee, deren Gebot sie damit vollstreckt. Sie wird für Plato als Träger einer besonderen, Gegebenheit und Forderung eigentümlich verknüpfenden Instanz, zugleich der Ausdruck der Verbundenheit aller Erscheinungen in einer alles umspannenden Harmonie."

Richard Hönigswald, Geschichte der Erkenntnistheorie, Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1966 (1933), S. 22.

„Das ist … der Grundsinn der von Platon eingeführten und von Aristoteles übernommenen Unterscheidung, daß man eine Sache nicht an ihren Wahrnehmungsdaten, sondern an ihrem Werk (ergon), ihrer Leistung oder Funktion erkennt, und daß man dieses ‚Werk‘ nicht sieht, hört oder fühlt, sondern begreift.“   

Arbogast Schmitt, Die Moderne und Platon, Stuttgart, J. B. Metzler Verlag, 2008, S. 103.

„Hat denn jemand den Begriff der Gleichheit je gesehen, da er die gleichen Steine sah? Ehe wir also anheben zu sehen und zu hören und das Andere wahrzunehmen, musste in uns irgendwoher die Erkenntnis des Gleichen an sich entsprungen sein (…), was es ist, wenn wir die aus den Wahrnehmungen sich ergebenden Gleichheiten darauf beziehen konnten. … hier ist die Geburtsstätte des a priori, in der ganzen Naivität seiner Kraft.“

Hermann Cohen, Platons Ideenlehre und die Mathematik, Marburg 1877, S. 11.

„Der Ursprung des Aprioritätsgedankens in der Platonischen Ideenlehre weist sogleich auf jene eigentümliche Doppelheit des Sinnes hin, die ihm seither anhaftet und seine klare und eindeutige Erfassung hemmt. Die Forderung eines schlechthin gewissen, von der sinnlichen Wahrnehmung unabhängigen ‚Anfangs‘ der Erkenntnis wird von der logischen Sphäre in die zeitliche übertragen: Was als ‚Prämisse‘ aller Erkenntnis selbständige, von nichts anderem ableitbare Gültigkeit besitzt, muß zugleich dem Bewußtsein in irgendeiner Form der ‚Präexistenz‘ gegeben sein. (...) Der eigentliche Kern der Ideenlehre liegt somit, selbst nach Aristoteles, in der Unterscheidung des Erkenntnisgegenstandes vom Wahrnehmungsgegenstand. Die Objekte, von denen es strenges und eindeutiges Wissen gibt, die Objekte der reinen Geometrie und der reinen Zahlenlehre, bilden eine eigene Welt: Denn ihnen eignet jene völlige Bestimmtheit und Wandellosigkeit, die den sinnlichen Inhalten schlechthin versagt ist. Der mathematische Begriff des Gleichen kann nicht von den gleichen Hölzern und Steinen entlehnt werden, weil kein sinnliches Beispiel diesen Begriff in der Reinheit und Strenge seiner Bedeutung erreicht und darstellt. Nur ein Bewußtsein, das diesen Begriff bereits besitzt, vermag ihn, in der Form des unvollkommenen Abbildes, innerhalb der Wahrnehmungswelt wiederzufinden.“

Ernst Cassirer, Einleitung in: Leibniz, Neue Abhandlungen über den menschlichen Verstand (1915/1926), in: Ernst Cassirer, Gesammelte Werke, Hamburger Ausgabe, (Hsg.) Birgit Recki, Band 9, Meiner Verlag, Hamburg 2001, S. 602f.

„Je mehr Platon auch das mathematische Denken als eine Reihe logischer, wenn man will grundsätzlich unanschaulicher Denkschritte begriffen hatte, desto verwunderlicher mußte die Tatsache bleiben, die er gerade auf Grund jener Einsicht in ihrer ganzen Wichtigkeit erfaßte: daß man die unanschaulichen Sachverhalte an einer Figur, an sichtbaren oder, wenn es sich um gedrechselte stereometrische Modelle handelte, sogar anderartig handfesten ‚Abbildern‘ gleichsam ablesen konnte, daß also etwas so abstrakt geistiges in dem Sichtbaren verleiblicht war.“

Julius Stenzel, Platon der Erzieher, Hamburg, Meiner Verlag 1961 (1928), S. 165.

„‚Und noch die letzten Grundlagen, auch wenn sie euch zuverläßig erscheinen, man muß sie dennoch noch genauer prüfen. Und wenn ihr sie zureichend analysiert, dann folgt ihr dem Vernunftgesetz bis hin zu den Grenzen menschlichen Vermögens‘ (Phaidon 107 B). Diese Worte sind deswegen denkwürdige Worte, weil in ihnen, erstens, alle Philosophie als Aufgabe der Letztbegründung alles Wissens begriffen ist und weil in ihnen, zweitens, alle auf Letztbegründung ausgehende Philosophie als Idealismus definiert wird.

Karl Wagner, Kritische Philosophie, Königshausen & Neumann Verlag, Würzburg 1980, S. 42.

„Gewiss, die Idee wird im reinen Schauen gewonnen. Und dieses reine Schauen ist das reine Denken. Aber es ist doch also auch umgekehrt wahr, dass das reine Denken das reine Schauen sei.“

Hermann Cohen, Logik der reinen Erkenntnis, Berlin 1902, S. 5.

„Die Rückkehr zum Idealismus war, innerhalb der Philosophie der Renaissance, mit der Rückkehr zu Platon gleichbedeutend. Nicht nur der tiefste spekulative Denker der Renaissance, sondern auch ihre empirischen Forscher knüpfen an Platon an und sind bestrebt, seiner Lehre das gedankliche Rüstzeug zu entnehmen, mit dem sie eine ‚nouva scienzia‘, eine exakte Wissenschaft von der Natur aufzubauen versuchen. Nikolaus Cusanus, Kepler und Galilei folgen hier dem gleichen Wege.“

Ernst Cassirer, Descartes Lehre – Persönlichkeit – Wirkung, Hamburg, Meiner Verlag, 1995, S. 16.

„Die Axiome der Geometrie sind nicht beweisbar und müssen als unbewiesene Behauptungen der Theorie vorangestellt werden. Die Frage, woher man diese Sätze weiß, beschäftigte schon PLATON. Sie hängt zusammen mit der Frage, wovon geometrische Sätze eigentlich handeln. PLATON kommt zu dem Ergebnis, daß Längen, Winkel usw., von denen die Geometrie spricht, nicht die Abmessungen wirklicher Gegenstände sind, sondern daß der Gegenstand der Geometrie die ideellen, nur geistig erfaßbaren geometrischen Figuren sind, und daß alle Beweise sich nur auf diese ieellen Gebilde beziehen. (...) Die Wahrheit der geometrischen Sätze beruht daher nicht auf Erfahrung, sondern auf der Einsicht in das Wesen der ideellen Grundgebilde.

Peter Mittelstaedt, Philosophische Probleme der modernen Physik, Bibliographisches Institut, Mannheim 1981, S. 49.

Tübinger Platon Archiv: https://uni-tuebingen.de/fakultaeten/philosophische-fakultaet/fachbereiche/altertums-und-kunstwissenschaften/philologisches-seminar/forschung/tuebinger-platon-archiv/