Alois Riehl (1844 - 1924)
„Alois Riehl nimmt unter den ‚Neukantianern‘ der ersten Stunde insofern eine Sonderstellung ein, als er - angeregt durch Eugen Dühring - im ersten ... Band seines Hauptwerks ‚Der philosophische Kriticismus‘ (1876) die Kantische Erkenntnistheorie auf dem Hintergrund des britischen Empirismus darstellte und sie für den Realismus in Anspruch nahm. (...) Kritische Philosophie entfaltet sich für Riehl ausgehend von Locke über - den ebenfalls als Kritizisten, insbesondere in seiner Kausalitätstheorie positiv bewerteten - Hume zu- dem in seiner Vernunftkritik außerdem von Lambert und Tetens beeinflußten - Kant: Der psychologischen Untersuchung des Ursprungs der metaphysischen Begriffe folgt die Bestimmung des Anwendbarkeit und Tragweite dieser Begriffe.“
Helmut Holzhey in: Helmut Holzhey / Wolfgang Röd, Die Südwestdeutsche Schule, in: Geschichte der Philosophie Band XII, München, C. H. Beck Verlag 2004, S. 35.
„Hob Cohen einseitig die Linie Descartes-Leibniz-Kant hervor, wobei Platon gewissermaßen der Ahnherr war, so versucht umgekehrt Riehl den Weg nachzuzeichnen, der von Locke über Hume zu Kant führt. ... Riehl vertritt also einen kritischen Realismus. Er ist wie derjenige Herbarts ein ‚Realismus der Empfindung‘...“
Hans Ludwig Ollig, Der Neukantianismus, Stuttgart, J. B. Metzler Verlag 1979, S. 23, 25.
„Unsere Prüfung von Riehls Interpretation der transzendentalen Deduktion Kants führt zu dem Ergebnis, dass es nicht ganz richtig ist, mit Virone Riehl als ‚zuverlässigen Ausleger des Kantianismus‘ zu betrachten. Zwar hat er Kant aufmerksam gelesen und er folgt ihm in manchen zentralen Fragen, seine Philosophie aber ist in grundlegenden Themen mit der Kantischen Lehre unvereinbar.“
Mario Caimi, Riehls Auffassung der transzendentalen Deduktion der reinen Verstandesbegriffe, in: Rudolf Meer, Giuseppe Motta (Hrsg.), Kant in Österreich, De Gruyter Verlag, Berlin / Boston 2021, S. 123.
„In der That ist es der regelmässige Fall bei einer wissenschaftlichen Entdeckung, dass das Schlussergebnis früher gefunden wird, als die Beweise. Durch Intuition, durch eine Art schöpferischer Synthese ergreift der Geist des Entdeckers die Idee des Ganzen, bevor er daran geht, die Schlüsse methodisch und im Einzelnen auszubilden, welche auch Andere zur Wiederholung derselben Synthese in ihrem Geiste befähigen.“
Alois Riehl, Der philosophische Kriticismus und seine Bedeutung für die positive Wissenschaft, Band 1, 2. Kapitel/2.
„Wie Cohen und Windelband interpretiert Riehl Kants Philosophie als Epistemologie. Im Gegensatz zum Marburger und Südwestdeutschen Neukantianismus entwickelt er das Ding an sich allerdings als ontologisch unabhängige Basis und lässt es nicht als Grenzbegriff oder regulative Idee aufgehen. (...) Die besondere Betonung der Empfindung als das Fundament der Epistemologie rückt Riehls Philosophischen Kritizismus außerdem in ein Naheverhältnis zum Empirismus. Neben den Einflüssen des sogenannten deutschen Positivismus ist Riehls Philosophie von besonderer Bedeutung für den entstehenden logischen Positivismus des Wiener Kreises.“
Josef Hlade / Rudolf Meer, Alois Riehl - Leben, Werk und Wirkung, in: Rudolf Meer, Giuseppe Motta (Hrsg.), Kant in Österreich, De Gruyter Verlag, Berlin / Boston 2021, S. 42.
Biographie: https://www.deutsche-biographie.de/sfz105830.html#ndbcontent
Bedeutende Werke:
Realistische Grundzüge, Graz 1870
Der philosophische Kritizismus und seine Bedeutung für die positive Wissenschaft, Band I-III, Leipzig 1876-1887
Zur Einführung in die Philosophie der Gegenwart, Leipzig 1903
Beiträge zur Logik. 3. Aufl. Reisland, Leipzig 1923
Philosophische Studien aus vier Jahrzehnten, Leipzig 1925
- Literatur (Anregungen):
Der Neukantianismus (1979) Hans-Ludwig Ollig
Der philosophische Kritizismus und seine Bedeutung für die positive Wissenschaft (1876 / 2016) Alois Riehl
Der philosophische Kritizismus und seine Bedeutung für die positive Wissenschaft (2016/1876) Alois Riehl
Kant in Österreich: Alois Riehl und der Weg zum kritischen Realismus (2021) Rudolf Meer, Giuseppe Motta (Herausgeber)