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Die Verbindung von aufklärerischer Vernunft und Wissenschaft

Grundfragen der Erkenntnistheorie (1997/1931) Richard Hönigswald

Umschlag Grundfragen der Erkenntnistheorie

Die vorliegende Arbeit bemüht sich um die Grundfragen der Erkenntnislehre. Die kritischen Exkurse, die sie dabei in die Philosophie der Gegenwart unternimmt, schaffen die methodischen Voraussetzungen für die Erörterung jener Grundfragen. Wie sie daher notwendig zu Absicht und Ausführung des Ganzen gehören, ohne doch Selbstzweck zu sein, so handeln auch sie nicht sowohl von Autoren, als vielmehr von Dingen. Vor allem aber erheben sie keinen Anspruch darauf, die Sachlage zu erschöpfen.   Gänzlich abwegig wäre es, die polemischen Erwägungen dieser Schrift als eine Selbstverteidigung des „philosophischen Kritizismus“ zu deuten. Überhaupt versagen philosophiegeschichtliche Schlagworte, wo es sich nicht um Bekenntnisse, sondern um Forschung handelt. Denn keines Menschen Name ist groß genug, um an die Stelle von Problemen zu treten. Um Probleme allein aber handelt es sich hier, und nicht um diese oder jene „Lehre“. Es tut denn auch nichts zur Sache, ob man die vorliegenden Darlegungen, die sich einer wissenschaftlichen Beurteilung natürlich nur als Einheit erschließen, durch Worte wie „Kantianismus“ oder „Neokantianismus“ kennzeichnet. Ebensowenig wird die Absicht der Schrift durch summarische Thesen über „kritisches“ Philosophieren berührt, die aus schwindelig-souveränen Höhen gefällt Nuancen verwischen, Unterschiede nivellieren, Probleme übersehen oder sich darauf beschränken, mit mehr oder weniger Geschick und Selbständigkeit, mit einem größeren oder geringeren Aufwand wissenschaftlicher Kunstausdrücke Stimmungen zu proklamieren oder pathetische Voraussagen zu machen. Auch die lautesten Totenlieder haben noch keinem das Leben gekostet. Nur die Fragen, die sie stellt, entscheiden über Charakter und Recht einer wissenschaftlichen Haltung. Das Wort „kritische Erkenntnistheorie“ zu vermeiden, lag daher - obschon es zur Zeit zarteren Ohren peinlich klingt - kein Grund vor.  Wie immer sich Philosophie von anderen Wissenschaften abgrenzen mag - einen Zug teilt sie doch mit allen: sie kann weder ihre Ausgangsposition, noch auch den Punkt, an dem ihre Erwägungen Halt machen, in ungehemmter Willkür wählen. Möglich zwar, daß der Philosoph dem "Einzelnen" grundsätzlich andere Stellung einräumt, als es die Vertreter anderer Wissenschaften tun und tun dürfen; möglich sogar, daß er dabei dem „Willen“ des Einzelnen eine entscheidende Rolle zuerkennt; die Frage bleibt, ob jene Stellung und diese Rolle gefordert, d.h. begründet erscheinen. Sie ist in aller Exaktheit zu diskutieren und mit ihr die Probleme der Exaktheit, der Begründung und der Rechtfertigung selbst. Zu welchen Ergebnissen methodisches Philosophieren auch immer führen mag, es verbürgt ihren autonomen Sinn, d.h. ihre Freiheit nur, indem es seinen eigenen Bestand mit unerbittlicher Strenge sichert. „Wissenschaft (kritisch gesucht und methodisch eingeleitet) ist die enge Pforte, die zur Weisheitslehre führt.“ Meiner Verlag.