Die Vollständigkeit der kantischen Urteilstafel (1995) Michael Wolff
In diesem Buch wird ein zweihundert Jahre altes Problem gelöst: Wie beweist Kant in der "Kritik der reinen Vernunft" die Vollständigkeit seiner Urteilstafel? Da diese Tafel, zusammen mit der Kategorientafel (die von ihr abhängt) das Herzstück von Kants Hauptwerk ausmacht, gilt das Problem von jeher als Kernproblem der Kantinterpretation. Überraschenderweise kann es durch sorgfältige immanente Textauslegung gelöst werden: Nachweisbar ist, daß das Leitfadenkapitel, also der unmittelbare Kontext der Urteilstafel innerhalb der "Kritik", eine dicht geschriebene Argumentationsskizze zu einem strengen Vollständigkeitsbeweis enthält, dessen Überzeugungskraft nichts zu wünschen übrigläßt. Für die Rekonstruktion dieses Beweises kommt es zunächst auf eine genaue Analyse der Behauptungen an, die Kant mit der Urteilstafel aufstellt. Diese Analyse präsentiert das erste Kapitel. Das zweite bietet dann einen ausführlichen Satz-für-Satz-Kommentar zu der für den Vollständigkeitsbeweis einschlägigen Textpassage und rekonstruiert ihn in allen Details. Das dritte Kapitel schließlich untersucht den Begriff von 'formaler Logik', den Kant voraussetzt und von dem seine Behauptung abhängt, die in der Urteilstafel vorgenommene Aufzählung logischer Formen sei vollständig. Der im Anhang abgedruckte Essay behandelt die bis heute kaum beachtete Auseinandersetzung, die Gottlob Frege in seiner "Begriffsschrift" von 1879 mit der kantischen Urteilstafel Punkt für Punkt geführt hat. Freges Kritik an ihr wird im ersten Teil des Anhangs dargestellt und erläutert. Im zweiten Teil wird dann gezeigt, daß diese Kritik in allen Punkten auf grundlegenden Irrtümern und Mißverständnissen beruht. Als besonders schwerwiegender und folgenreicher Irrtum stellt sich Freges Ansicht heraus, die Regeln dessen, was Kant als formale Logik ansah, seien aus dem Axiomensystem der "Begriffsschrift" ableitbar. Verlag Vittorio Klostermann.
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